Werner und Margarete Lenger Stiftung
„Sinn meines Lebens“
Margarete und Werner Lenger gründeten 2006 eine Stiftung, mit der sie Künstler insbesondere der klassischen Musik und Oper fördern wollten. Ihre Tochter Susanne setzt ihre Arbeit fort – und engagiert sich damit gleichzeitig für Menschen in Not. Nawar Alhamwi war einer von ihnen.
Susanne Lenger steht auf einer Insel in Nordschweden, hinter ihr das Haus, das sie und ihr Ehemann Curd vor einigen Jahren gekauft haben. Vor ihr glitzert das Meer im Schein der Abendsonne. Schweden ist Susanne Lengers Sehnsuchtsort, an dem sie die Hälfte des Jahres verbringt, den Rest der Zeit wohnt sie in Hamburg. Dort lebt auch Nawar Alhamwi, ein 33-jähriger Musikstudent aus Syrien, den Susanne und Curd Lenger mithilfe der Werner und Margarete Lenger Stiftung unterstützen. Susanne Lenger liebt genau wie ihre inzwischen verstorbenen Eltern Klassik, sie hört oft bei offenem Fenster Tschaikowsky, dessen Klänge sich mit dem Rauschen des Meeres vermischen. Mehr noch als für Musik schlägt ihr Herz aber für Menschen in Not. Und deshalb hat ein persönliches Kennenlernen mit Nawar Alhamwi keine Eile für sie, im Gegenteil. „Ich fürchte, dass der junge Mann in mir jemanden sehen würde, bei dem er sich bedanken muss“, sagt die Anfang 60-Jährige. „Dieses Gefühl von Verpflichtung möchte ich ihm nicht aufbürden. Aber ich freue mich, dass ich durch die Stiftung finanzielle Mittel habe, die anderen nicht zur Verfügung stehen, und Nawar dadurch ein wenig auf seinem Lebensweg begleiten kann.“
Kreativität trotz Krieg
Der Lebensweg des Musikers war nicht immer eben. Er wuchs in Syrien auf, studierte auf Wunsch der Eltern Physik. Seine Eltern hielten jedoch wenig von seiner Begeisterung für den Gitarrenunterricht – vor allem nicht, als der Bürgerkrieg in Syrien ausbrach und es überall um sie herum um Leben und Tod ging. Doch für Nawar Alhamwi sind das Gitarrenspiel und das Komponieren eine Zuflucht, ein Zuhause, das er überall mit hinnehmen kann. Genauso wie das Schreiben: Er veröffentlichte bereits drei Bücher in arabischer Sprache, so den Roman „Ein Bett ohne Heimatland“. Als er 2018 über den Libanon nach Deutschland kam, ließ er sich an der Landesmusikakademie NRW als Musikpädagoge für Menschen aus unterschiedlichen Kulturen ausbilden. „Ich möchte unbedingt Gitarrenlehrer werden und später auch Kinder unterrichten, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie ich“, sagt er.
Unterstützung in der Not
Doch dieser Traum drohte zu zerplatzen. Da Nawar Alhamwi für die meisten staatlichen Hochschulen mit über 30 Jahren für ein Erststudium zu alt war, bewarb er sich beim Hamburger Konservatorium – Norddeutschlands älteste Musikausbildungsstätte mit Sitz in einer schneeweißen Villa in Blankenese. Mit Erfolg. Doch das Institut verlangt als private Ausbildungseinrichtung Studiengebühren, und die staatlichen Zuschüsse, die Alhamwi erhält, reichen dafür nicht aus. Als die Unterstützung im Rahmen eines zeitlich befristeten Härtefallfonds auslief, war er verzweifelt. „Ich hatte die Exmatrikulation schon gestellt“, sagt der Gitarrist. „Doch dann war der Dekan des Konservatoriums so freundlich und vermittelte mir das Stipendium der Werner und Margarete Lenger Stiftung, die mich nun drei Jahre lang fördert. Durch das Stipendium habe ich zum Sinn meines Lebens zurückgefunden, dem Gitarrenspiel“, sagt der Musikstudent.
Musik als Zuflucht
Die Hamburger Immobilienverwalter Margarete und Werner Lenger, die die Stiftung ins Leben riefen, spielten selbst keine Instrumente, auch ihre Tochter erhielt keinen Unterricht. Woher kam also ihre Leidenschaft für Klassik? Susanne Lenger überlegt einen Moment, während der Wind sie schüttelt. „Sie wuchsen im Krieg auf, und es gab oft wenig Schönes um sie herum“, sagt sie schließlich. „Ich denke, dass der Genuss von Musik und Opernabenden, die mit dem Wohlstand kamen, für sie eine Befreiung und Selbstversicherung darstellten, es geschafft zu haben.“ Eine Art Zuflucht. Vielleicht hätten sie sich auch aus diesem Grund ganz besonders gut mit Nawar Alhamwi verstanden.