Wilma Süllau, geborene Hartmann, wohnte in einem vormals eigenen Mehrfamilienhaus an der viel befahrenen Fuhlsbüttler Straße in Hamburg-Barmbek – einem ehemaligen Arbeiterstadtteil, nicht weit vom Stadtpark und dem Ohlsdorfer Friedhof entfernt. Sie hatte 1949 an der Oberschule für Mädchen am Lerchenfeld Abitur gemacht und war besonders stark in den naturwissenschaftlichen Fächern. Gerne hätte sie Biologiewissenschaften studiert, aber auf Wunsch der Familie übernahm sie die Grundstücksverwaltung und als Alleinerbin 1966 den gesamten Barmbeker Immobilienbestand.

Ihr Großvater Heinrich Hartmann und dessen Söhne Otto und Ernst hatten um die Jahrhundertwende bis in die 1950er-Jahre für bezahlbaren Wohnraum in Hamburgs Norden gesorgt und waren dadurch zu Reichtum gelangt. Wer sollte das millionenschwere Vermögen erben, welchem wohltätigen Zweck konnte es dienen? „Diese Fragen beschäftigten sie sehr“, erinnert sich Jörg Ludewig. Der Private-Banking-Berater und Generalbevollmächtigte der Hamburger Sparkasse hatte in den 1990er-Jahren Anlagestrategien für das Ehepaar Süllau entwickelt und war nach dem Tod von Wilma Süllaus Mann ihre Vertrauensperson, nicht nur in Vermögensfragen. „Bereits Ernst und Otto Hartmann hatten die Idee, das Vermögen in eine Stiftung fließen zu lassen. Wilma Süllau stimmte zu, als ich ihr vorschlug, eine Stiftung unter dem Dach der Haspa Hamburg Stiftung zu etablieren“, so Ludewig, der im Vorstand der Heinrich Hartmann Stiftung ist. Diese feierte am 19. Februar 2024 ihr zehnjähriges Jubiläum.

Großzügig zu anderen
Miriam Hamann gehört seit dem Tod von Wilma Süllau im Jahr 2019 ebenfalls zum Vorstand der Heinrich Hartmann Stiftung. Sie wuchs in der Wohnung direkt neben Wilma Süllau auf, und da die Familien seit den 1930er-Jahren freundschaftlich eng verbunden waren, war ihre Nachbarin wie eine Tante für sie. „Ostern und Weihnachten haben wir immer zusammen verbracht“, erzählt Hamann und berichtet von einer bescheidenen Frau, die in den Ferien gerne in der Schweiz wanderte, Quitten liebte und sich gelegentlich ein Glas Rotwein im Café gönnte. Ansonsten war sie wie viele Menschen in der Nachkriegszeit sehr sparsam.

„Das erkennt man beispielsweise gut am Wohnzimmer“, sagt Miriam Hamann, als sie durch einen ozeanblau eingeschlagenen Bildband mit dem Titel „Die Familie von nebenan“ blättert und bei einer Fotografie stoppt, auf der ein karg eingerichtetes Zimmer einer Zeitreise in die 1950er-Jahre gleicht. „Dieser Raum hat sich in all den Jahren kaum verändert“, erinnert sie sich. „Aus Wilmas Sicht waren die gemusterten Teppiche, die schweren Polstermöbel und der Kronleuchter aus Messing noch gut in Schuss. Und somit gab es für sie keinen Grund, Geld für neue Möbel auszugeben.“ Miriam Hamann und Jörg Ludewig haben das Buch, das bei Interesse beim Vorstand der Stiftung angefordert werden kann, anfertigen lassen, um so die Chronik der Familiengeschichte der Stifterin zu dokumentieren.

Schmunzeln bei der Projektauswahl
So genügsam Wilma Süllau für sich war, so großzügig ist sie nun durch ihre Stiftung. „Ich habe ihr vor allem Projekte vorgestellt, die etwas mit dem Hamburger Norden und dem Stadtteil zu tun haben, der das Leben der Hartmanns geprägt hat“, sagt Jörg Ludewig, der die ältere Dame zusammen mit Marcus Buschka aus dem Vorstand der Haspa Hamburg Stiftung im Hinblick auf zu fördernde Ideen beriet. „Und wenn dann ein Schmunzeln kam, wussten wir, dass es ihr gefiel“, erinnert sich Miriam Hamann.

Die Heinrich Hartmann Stiftung engagiert sich seit 2014 für zahlreiche generationsübergreifende Einrichtungen – etwa für „Die Arche“ Kinderstiftung in Barmbeks Nachbarstadtteilen Billstedt und Jenfeld oder für die „Aktion Augen auf!“ der AWO Stiftung, die sich um ältere und vereinsamte Menschen mit geringem Einkommen oder mit gesundheitlichen Problemen in Barmbek kümmert (weitere geförderte Einrichtungen siehe Infos rechts). „Wenn wir uns im Vorstand treffen und neue Projekte diskutieren, fragen wir uns natürlich immer noch: Was würde Wilma dazu sagen?“, so Miriam Hamann. „Und wir warten darauf, ob sie vor unserem geistigen Auge bei der Auswahl schmunzeln würde. Ohne ihr Lächeln geht es auch heute nicht.“